Mit Mitte 30 noch mal was komplett Neues machen. Etwas, wo das Herz dranhängt. Dem eigenen Gespür folgen und aus dem Hamsterrad rausklettern… Ja, das geht wirklich. Die Berlinerin Helene Stolzenberg hat es durchgezogen und ist heute sehr glücklich mit dieser Entscheidung.
Im September habe ich die 38-Jährige auf der Miniblogst in Berlin kennengelernt – quasi auf den letzten Metern. Wir saßen am Abend beim gemütlichen Get-together zufällig nebeneinander und sind ins Plaudern gekommen. Und wie das so oft ist, wenn Frauen zusammentreffen, wird es sehr schnell sehr offen. Helene ist ursprünglich wie ich PR-Beraterin und hat sich erst vor vier Jahren selbständig gemacht und Nordliebe.com gegründet. Und zwar mit nem Kopfsprung ins kalte Wasser. Als alte (Lebens)Geschichtensammlerin dachte ich sofort, tolle Frau, großartige Story – Helene hätt’ ich ja total gerne im Interview auf dem Blog… Weil ich finde, dass ihre Geschichte Mut macht. Und weil ich finde, dass Ihr Nordliebe kennen solltet :-).
Freu mich sehr, dass Helene heute im “Macherinnen-Interview” bei uns zu Gast ist.
Und los gehts: Liebe Helene, schön, dass Du da bist!
Wer und was steckt hinter „Nordliebe“? Kannst Du uns ein bisschen was über Dich erzählen?
Nordliebe, das ist meine Liebe zum Norden. Zu der Art zu Leben, zur Natur, zum Design, zur Mode, zum Essen. Grundlage dieser Liebe ist, wie bei vielen anderen wahrscheinlich auch, die Welt, die Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern erschaffen hat. Mit 14 bekam ich meinen ersten Bildband über Schweden geschenkt. Ich weiß noch, wie ich die erste Seite mit einem gelben Holzhaus vor einem blauen Sommerhimmel ansah und ich wusste, das ist meins. Das hat mich mitten ins Herz getroffen. Und dann kamen viele Reisen, auf denen ich mich immer mehr verliebte. Und schöne Sachen mitbrachte. Meine Freunde sagten: “Hier hast Du Geld. Bring mir was mit. Egal was. Mir gefällt alles, was Du aussuchst.”
Fotocredit: Emma & Malena
Studiert habe ich Kommunikationswissenschaften in Berlin und in den USA. Nach dem Studium habe ich als Beraterin für politische Kommunikation gearbeitet. Nach der Geburt meiner Tochter spürte ich immer stärker, dass da etwas in mir brodelt, was raus muss. Das Ergebnis war die Selbständigkeit und der Beginn von Nordliebe. Damals sprang ich in ziemlich kaltes Wasser. Ich hatte keine Ahnung von gar nichts und musste mir alles erarbeiten. So etwas mache ich gerne: Etwas Neues schaffen und beim Wachsen zusehen. Ich lerne dabei so viel und treffe tolle Menschen, die mich inspirieren.
Herausgekommen ist mein Shop Nordliebe.com, der seit 2014 online ist. Dort trage ich zusammen, was mir gefällt. Aus Schweden, Dänemark, Norwegen… Am liebsten suche ich nach neuen Schätzen – frischen Designern und Illustratoren. Ich stöbere aber auch gerne wie ein Trüffelschwein über Messen und durch Kataloge.
Fotocredit: Fabelab
Gibt es einen Schlüsselmoment, an den Du Dich erinnern kannst, der für Deinen Weg entscheidend war?
Ich saß in einer tollen Berliner Kommunikationsagentur beim Bewerbungsgespräch. Der Job war super, ebenso das Team, das Büro – ein Traum. Ich saß da, in diesem sehr netten Gespräch, schaute mich um, sah mir die Leute an und dachte: “Das ist alles so klasse hier. Aber ich will das nicht machen. Ich will was Eigenes machen. Ich MUSS was Eigenes machen. Sonst platze ich.”
Gab es Rückschläge und wie bist Du damit umgegangen?
Sometimes you win, sometimes you learn. Klar gab es Rückschläge, das gehört dazu. Ich denke, zum Weg in die Selbständigkeit braucht man einen starken Glauben an sich selbst und eine gute Portion Gottvertrauen. Darauf, dass es schon gut werden wird. Auch wenn ein Tag mal blöd ist. Es gab sehr frustrierende Tage. Die darf man aber einfach nicht persönlich nehmen. Und dann gibt es wieder Tage, da hagelt es nur so Geschenke. Da passieren so viele tolle Dinge auf einmal, das man es fast nicht glauben kann.
Fotocredit: Walther
Was rätst Du Frauen, die so 30/40 sind, mitten im Leben stehen, und vor einer ähnlichen Entscheidung stehen?
Ich glaube, das ist eine Typenfrage. Wenn man Sicherheit braucht um nachts gut zu schlafen, dann ist eine Festanstellung sicherlich eine gute Wahl. Man kann auch viele tolle, kreative Sachen in der Freizeit oder in einer Teilselbständigkeit verwirklichen. Wenn man aber tief in sich spürt, dass man nicht glücklich wird, wenn man das jetzt nicht macht, dann muss man es machen. Bei mir war es ein langer Weg des Reifen des inneren Entschlusses. Das hat viele Jahre gedauert und ist von einem diffusen Gefühl zu einer konkreten Idee gewachsen. Ich wusste, dass ich es mir nicht verzeihe, wenn ich es nicht wenigstens probiert hätte. Ich glaube, dass es nicht schaden kann, sich regelmäßig zu fragen: Was macht mich glücklich? Wie will ich leben? Wenn es das morgen gewesen wäre, hätte mir das gereicht? Ich denke, das Leben ist zu kurz um tagtäglich etwas zu machen, was einem eigentlich keinen Spaß macht.
Wie bekommst Du es ganz praktisch hin, Unternehmerin und Mutter zu sein?
Das Alleinerziehendsein zwingt einen ja zu einer extrem guten Selbstorganisation. Das gilt natürlich für alle Mütter. Wenn man aber alleine mit allem ist, dann ist das noch mal eine Schippe obendrauf. Da hilft nur: gut planen, sich Hilfe holen und mit wenig Schlaf auskommen. Ich finde allerdings auch, dass die Selbständigkeit eine Flexibilität ermöglicht, die man als Mutter gut brauchen kann. Wenn meine Tochter mich braucht, dann kann ich das immer einrichten. Weil ich mein eigener Chef bin. Und wenn etwas Dringend ist, dann muss es eben nachts gemacht werden.
Fotocredit: Fine Little Day
Wie würdest Du Deinen persönlichen Stil beschreiben?
Ich mag es gerne clean, schlicht und natürlich. Klare Linien, helle Farben und den Bezug zur Natur finde ich sehr wichtig.
Fotocredit: Bloomingville
Außerdem habe ich eine große Schwäche für alte Häuser und Retrodesigns aus den 60er Jahren. Zuhause mische ich gerne Altes mit Neuem. Ich mag es, wenn Wohnungen einen persönlichen Charakter haben und nicht zu durchgestylt sind. Ich finde es immer spannend zu sehen, wie andere wohnen und wie sich ihr Stil entwickelt. Für mich ist das Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, ebenso wie durch Mode.
Ich mache es mir gerne gemütlich. Zuhause ist ein so wichtiger Ort. Ich sammle gerne schöne Zweige und Blüten, ich liebe Erinnerungen wie Steine, Muscheln, Fotos und Bilder. In der dunklen Jahreszeit stelle ich ein paar Laternen vors Haus. Ich finde, das macht das Nachhausekommen noch schöner. Norwegerpullis sind toll, außerdem Clogs und schöne Stricksocken. Und natürlich Kleider und Röcke – ich finde, das sind für Frauen viel zu unterschätze Kleidungsstücke.
Fotocredit: Walther
Was ist Dein persönliches Lieblingsprodukt aus dem Nordliebe-Shop??
Das ist eine sehr schwere Frage. Ich habe so viele Lieblingsstücke. Ich freue mich über jede Bestellung. Für mich ist es spannend, in welcher Kombination Kunden Sachen bestellen. Mir macht das Packen auch großen Spaß. Ich stelle mir dann immer vor, wie das Paket ankommt und welche Freude es beim Auspacken erzeugt. Klingt vielleicht komisch, aber das macht mich glücklich.
Helene, vielen Dank für Deine ehrlichen und offenen Antworten! Hat mich sehr gefreut, mit Dir zu plaudern. Ich wünsch Dir alles Gute – bis bald mal in Berlin.
LG Anja
Fotocredit: Nordliebe
Fotocredit für die restlichen Bilder: Helene Stolzenberg. Dankeschön!
Danke für die spannende Vorstellung. Ich kann den Weg gut verstehen, denn ich habe mit 33 meinem gut bezahlten Job als Abteilungsleiterin gekündigt, studiert und mich selbständig gemacht. Eine gute Entscheidung!
Liebe Ines,
…echt?! Großartig. Dann passt Deine Geschichte ja wunderbar dazu. Ich mag das wirklich sehr, Nägel mit Köppen zu machen, anstatt immer weiter rumzunörgeln, dass der Job doof ist und der Chef und die Kollegen…
LG und einen schönen Restabend,
Anja