In der Kindergartengruppe meiner Tochter gibt es ein Mädchen. Nennen wir sie Susa. Susa ist ein sehr freundliches Mädchen, lacht mich immer an und freut sich, dass sie vor etwa einem halben Jahr bei uns zum Kindergeburtstag eingeladen war.
Susa wird nicht oft eingeladen. Ich glaube sogar, meine Tochter war bisher die einzige. Susas Sachen sind irgendwie schmuddelig, ihre langen Haare oft zerzaust, das Pony schief geschnitten. Sie hatte im Winter manchmal keine Handschuhe an und ziemlich gefroren. Das hat mit mein dick eingepacktes Kind mal auf dem Heimweg erzählt. Einmal mehr hab ich geschluckt. Und sogar jetzt, wo ich Euch das aufschreibe, sitzt mir wieder dieser Kloß im Hals. Geht mir immer so, wenn ich irgendwie mitbekomme: da geht es einem kleinen Wesen offenbar nicht so gut, wie den meisten anderen.
Vor einiger Zeit hatte ich einen Termin, bei dem dieses Gefühl hatte, das bis tief ins Herz gerutscht ist. Eine Verlegerin hatte über eine Neuerscheinung gesprochen. Das Buch der schwedischen Autorin Stina Wirsén. Es heißt einfach nur „klein“.
Bei „klein“ zu Hause wohnen noch „Groß“ und „Stark“. Manchmal ist alles gut bei den Dreien, zu oft gibt es aber Streit und sogar Schläge. Als es mal wieder gefährlich wird geht „Groß“ einfach weg.
„Stark“ ist jetzt traurig – möchte aber keinen Trost von „klein“. Und der – wird natürlich auch nicht getröstet. Auch nicht vom Nachbarn, zu dem er flüchtet, denn „klein“ erzählt ihm nicht, was zu Hause passiert.
Aber da gibt es zum Glück ja noch Frau Traulich, seine Kindergärtnerin. „klein“ erzählt ihr, dass es zu Hause viele böse und nicht-fröhliche Tage gibt. Dass er zu Hause Angst hat.
Frau Traulich hört ihm zu und „klein“ hat erfahren, dass er nicht der einzige ist, dem es zu Hause nicht so gut geht. Ein kleines Happy End.
Das Buch möchte Kinder ermutigen, ihrem Herzen Luft zu machen. Zu reden, wenn zu Hause etwas nicht stimmt, Streit und vielleicht sogar Gewalt um Alltag gehören. Sich jemandem anzuvertrauen. Ein Buch mit der Haupt-Zielgruppe Kita-Erzieherinnen. Die sollen dieses ganz einfach gemachte Buch mit ihren Kindern lesen. Ihnen so Mut machen, sich ebenso wie „klein“ ihnen oder einer anderen Person anzuvertrauen. Ein wichtiges Anliegen, oder?
Ich weiß nichts über das Elternhaus von Susa aus der Kindergartengruppe meiner Tochter. Jedenfalls nicht viel. Aber sollte da etwas sein, irgend etwas, das ihr Angst macht, hoffe ich dass sie – ebenso wie all die anderen betroffenen Kinder – jemanden zum Reden hat.
Deshalb werde ich das Buch der Kita schenken. In der Hoffnung, dass es zumindest in den Gruppen mit Kindern wie Susa vorgelesen wird.